#10 Bleiben oder gehen? Beziehung in der Lebensmitte verstehen - Ellen Holling - Life Coach
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Bleiben oder gehen Beziehung

#10 Bleiben oder gehen? Beziehung in der Lebensmitte verstehen

Passt das noch oder bin ich nur noch da, weil ich mal geblieben bin?

Wenn die Liebe auf dem Prüfstand steht, stellen viele Menschen sich genau diese Frage, oft leise, manchmal schmerzhaft klar.

 

Dieser Artikel zeigt, warum in der Lebensmitte so viele Beziehungen ins Wanken geraten, was sich psychologisch in dieser Phase verändert, welche inneren Fragen auftauchen und wie du einen Weg findest, mit Klarheit und ohne Drama zu entscheiden, was für dich richtig ist.

 

Inhaltsverzeichnis:

 

Warum in der Lebensmitte so viele Beziehungen ins Wanken geraten

Es ist ein Phänomen, das viele meiner Klient*innen kennen: Nach vielen gemeinsamen Jahren taucht plötzlich eine grundlegende Unruhe in der Partnerschaft auf. Nicht weil etwas konkret falsch läuft. Sondern weil etwas innerlich nicht mehr stimmt. Und ganz leise schleicht sich die Frage ein: bleiben oder gehen?

Zwischen 40 und 55 Jahren ist laut Studien die Wahrscheinlichkeit am höchsten, eine Partnerschaft zu beenden oder sie tiefgreifend zu hinterfragen. Es ist die Zeit, in der äußere Stabilität oft auf einem inneren Bruch steht. Kinder sind größer oder aus dem Haus. Die berufliche Identität ist gefunden oder beginnt zu bröckeln. Das Leben ist „aufgestellt“, aber es fühlt sich nicht (mehr) lebendig an.

Diese Irritation beruht selten auf Streit oder Entfremdung allein.
Sie entsteht aus der Veränderung des eigenen Selbstbilds.
Werte und Prioritäten verschieben sich und mit ihnen die Frage:

  • Wer bin ich jetzt und wer möchte ich noch sein?
  • Wieviel Raum hat mein echtes Selbst in dieser Beziehung?

 

Das bedeutet: Nicht der Partner hat sich unbedingt verändert, sondern das innere Koordinatensystem.

 

 

Die Psychologie der Lebensmitte: Was sich wirklich verändert

Die Lebensmitte ist kein Problem. Sie ist ein Wendepunkt.
Ein Übergang, in dem sich das innere System neu ordnet. Viele erleben genau in dieser Zeit eine Art „Ich-Wende“ mit dem Bedürfnis, wieder mehr mit sich selbst in Kontakt zu kommen, nicht nur mit den Anforderungen des Alltags, der Beziehung, der Rollen.

Psychologische Modelle wie die Midlife-Transition (Levinson) zeigen:
In dieser Phase verschiebt sich der Fokus weg von äußerer Orientierung, hin zu innerer Bilanz.

Typische Fragen in dieser Phase sind:

  • Wer bin ich geworden?
  • Habe ich das gelebt, wonach ich mich einst gesehnt habe?
  • Wofür will ich meine Zeit, meine Liebe, mein Leben jetzt „noch“ einsetzen?

 

Diese Veränderung ist oft leise, aber sie bewegt alles. Und sie bringt auch das Beziehungssystem in Bewegung.

 

 

Typische innere Konflikte in langjährigen Partnerschaften

Oft zeigt sich der Beziehungswandel nicht in dramatischen Streits oder Affären, sondern in kaum sichtbaren Verschiebungen:

  • Gespräche werden oberflächlicher.
  • Nähe fühlt sich wie Routine an.
  • Man funktioniert gemeinsam, aber das Feuer fehlt.

 

Viele meiner Klient*innen beschreiben das als „freundschaftliche Koexistenz“: Es gibt Verlässlichkeit, Verantwortung, aber kaum Lebendigkeit.

Typische Gedanken in dieser Phase:

  • „Ich liebe ihn/sie, aber ich weiß nicht mehr, ob das noch reicht.“
  • „Wir sind ein gutes Team, aber ich fühle mich allein.“
  • „Vielleicht erwarte ich zu viel, aber vielleicht ist genau das das Problem.“
  • „Was, wenn ich bleibe und mich selbst aufgebe?“

 

Diese Gedanken sind kein Zeichen von Egoismus. Sie zeigen, dass ein tieferes Bewusstsein für das eigene Leben erwacht und die stille Erkenntnis, dass das Leben zu kostbar ist, um sich selbst darin zu verlieren.

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Was wirklich geprüft wird: Die Beziehung oder das Selbstbild?

Die eigentliche Frage ist oft nicht: „Will ich mit diesem Menschen weiterleben?“
sondern: „Kann ich in dieser Beziehung weiter ich selbst sein oder wieder werden?“

In langjährigen Partnerschaften verfestigen sich oft Rollen und Dynamiken:

  • Die Starke
  • Der Versorger.
  • Die, die immer für alle da ist.
  • Der, der keine Schwäche zeigen darf.

 

Doch was, wenn diese Rollen zu eng geworden sind? Wenn du nicht mehr funktionieren, sondern wieder fühlen und wirklich leben willst? Dann wird die Beziehung oft zur Projektionsfläche für die eigene innere Krise oder sagen wir den eigenen inneren Wandel. Nicht, weil sie falsch ist, sondern weil sie nicht mehr das spiegelt, was du gerade brauchst. Oder bist.

 

Wichtiger Perspektivwechsel:
Vielleicht muss nicht die Beziehung enden.
Vielleicht darf sich einfach die Weise wandeln, wie du dich in dieser Beziehung zeigst.
Vielleicht darf sich auch einfach die Art verändern, wie ihr euch begegnet. Oder auch beides.

 

 

Entscheidung ohne Drama: Zwischen Weglaufen und Ausharren

Bleiben oder gehen ist keine leichte Entscheidung.
Und sie sollte niemals aus einem Impuls heraus getroffen werden, aber auch nicht ewig aufgeschoben werden. Es bedarf dafür Zeit und Ehrlichkeit.

Zwischen „Ich kann das nicht mehr“ und „Ich halte durch“ liegt ein Raum, den viele übersehen: Den Raum der ehrlichen Selbstklärung.

In diesem Raum darf alles da sein:

  • Zweifel
  • Schuldgefühle
  • Sehnsucht
  • Angst vor dem Neuanfang
  • Liebe und gleichzeitig Fremdheit

 

Was in diesem Raum nicht hilft:

  • Vergleiche mit anderen Beziehungen
  • Überanpassung aus Angst, den anderen zu verletzen
  • Emotionale Erpressung mit Sätzen wie „Nach allem, was wir durchgemacht haben…“

 

Was hilft:

  • Gespräche, die auf Wahrhaftigkeit statt Vorwurf basieren
  • Die Frage: Was fehlt mir und was habe ich vielleicht nie eingefordert?
  • Der Mut, sich selbst zuzuhören, bevor man eine Entscheidung trifft.

 

 

Was du dich ehrlich fragen darfst

Wenn du spürst, dass du in deiner Beziehung an einem Punkt angekommen bist, an dem du dich selbst zu verlieren drohst, dann beginne hier:

  • Was in mir sehnt sich gerade nach Freiheit und was nach Verbindung?
  • Welche Rolle spiele ich und entspricht sie noch dem Menschen, der ich heute bin?
  • Welche Wünsche und Bedürfnisse habe ich in den letzten Jahren zurückgestellt, aus Liebe, Pflichtgefühl oder Angst?
  • Wo habe ich aufgehört, ehrlich zu kommunizieren, mit mir selbst und mit dem anderen?
  • Was würde ich meinem besten Freund/meiner besten Freundin raten in genau dieser Situation?

 

Diese Fragen führen nicht sofort zu einer Entscheidung.
Aber sie führen näher zu dir. Und das ist immer der Anfang.

 

 

Eine Beziehungskrise ist oft eine Identitätskrise im Gewand der Liebe

In der Lebensmitte zeigt sich nicht, dass wir versagt haben.
Sondern dass wir uns weiterentwickeln, manchmal schneller, als unsere Beziehung Schritt halten kann.

Das ist kein Drama.
Das ist das Leben.

Manchmal bedeutet „bleiben“, sich neu zu begegnen.
Manchmal bedeutet „gehen“, sich selbst wiederzufinden.
Und manchmal bedeutet es einfach: innehalten und zuhören.

Denn die wichtigste Beziehung, die du je führen wirst, ist die zu dir selbst.
Je klarer du darin wirst, desto klarer wird sich zeigt sich, was für Dich stimmig ist.

In der Liebe, im Leben, im Jetzt.

 

 

 

 

Foto: Freepik