#4 FOMO – die Angst etwas zu verpassen & FOGO – die Angst wieder raus zu gehen in Zeiten von Corona - Ellen Holling - Life Coach
918
post-template-default,single,single-post,postid-918,single-format-standard,stockholm-core-2.4.2,select-child-theme-ver-1.1,select-theme-ver-9.7,ajax_fade,page_not_loaded,menu-animation-underline,,qode_menu_,wpb-js-composer js-comp-ver-7.5,vc_responsive

#4 FOMO – die Angst etwas zu verpassen & FOGO – die Angst wieder raus zu gehen in Zeiten von Corona

Corona scheint den Rückzug angetreten zu haben, und das Leben nimmt wieder Fahrt auf. Die einen drängt es nach draußen. Vieles will nachgeholt werden. War es doch eine lange Zeit der Entbehrung in den letzten Monaten. Die Anderen sind zögerlich. Stellen fest, dass das Leben ohne unzählige Möglichkeiten doch auch etwas für sich hatte.

Was ist nun richtig? Raus gehen, alles mitnehmen oder eher abwarten und noch etwas im Rückzug bleiben? Was haben FOMO und FOGO damit zu tun? Und was in aller Welt ist denn FOMO und FOGO?

 

Zu diesen Themen hatte mich R.SH Radio Schleswig-Holstein am 14.06.21 in die Wach-Mittmann-Show eingeladen um als Experte diese Fragen zu beantworten. Hier geht’s zum Interview:

 

Das Urheberrecht der Tonaufnahmen liegt bei R.SH – Radio Schleswig-Holstein.

 

Was genau ist nun FOMO?

FOMO – fear of missing out beschreibt die Angst etwas zu verpassen. Sie äußert sich oftmals in einem angespannten Druckgefühl gepaart mit einer gewissen inneren Unruhe. Hinter dieser Angst liegt der Gedanke, dass das Leben gerade anderswo stattfindet. Dass der*die Seelenpartner*in möglicherweise auf dem anderen Konzert oder der anderen Vernissage anzutreffen wäre, auf welcher man sich nicht befindet. Dass der neue Job vielleicht doch nicht 100% derjenige ist, der einen die Karriereleiter hinauf beamt. Dass es da noch irgendwo einen besseren gäbe. Oder aber, dass alle Freunde gerade DAS Erlebnis miteinander teilen, über welches die nächsten Jahre gesprochen wird. Und man selbst war nicht dabei.

 

Warum haben wir diese Angst?

Diese Angst ist kein modernes Phänomen. Diese Angst gibt es seitdem die Menschen sich in Gemeinschaften zusammengeschlossen haben. Genau betrachtet ist diese Angst auch ein Zusammenschluss von mehreren Ängsten.

Wir Menschen sind soziale Wesen und haben das Grundbedürfnis nach Austausch. Wir suchen den Anschluss in einer Gruppe und wollen dazugehören. Des Weiteren sind wir auf der Suche nach Anerkennung. Selbstverständlich ist das Maß des Bedürfnisses nach Anerkennung ganz individuell. Und ein gewisser Überblick, verbunden mit Kontrolle über unsere Gemeinschaft / Gruppe gibt uns Sicherheit.

Scheinen diese Grundbedürfnisse bedroht, so bilden sich daraus Ängste. Z.B. macht sich eine Verlustangst breit, wenn wir scheinbar der Gruppe nicht angehören. Die Angst vor Ablehnung tritt hervor, wenn wir durch die fehlende Interaktion mit anderen keine Anerkennung erhalten. Und es droht Kontrollverlust, wenn der Überblick über die Gemeinschaft nicht mehr gegeben ist.

Dies alles zusammen, macht sich dann bemerkbar in diesem diffusen Gefühl etwas zu verpassen.

 

Soziale Medien – Was ich weiß, macht mich heiß

Was jedoch die heutige Zeit prägt sind die sozialen Medien. Diese befeuern diese Ängste massiv dadurch, dass man 24/7 zu sehen bekommt, wie zuckersüß der Leben der Anderen ist. Da wird die tolle Reise gepostet, das Essen im In-Lokal, das Kaltgetränk in chilliger Umgebung. Und vielleicht schlägt man sich selbst in diesem Moment ganz unsexy mit dem Haushalt, dem nervigen Chef oder dem Familienkonflikt herum.

Durch die Sozialen Medien werden Bedürfnisse geschürt. Es gilt nicht mehr „Was ich nicht weiß macht mich nicht heiß“ sondern umgekehrt „Was ich weiß, macht mich heiß“. Man möchte in diesen Momenten gerne das Leben tauschen und wünscht sich, das Beamen wäre doch schon erfunden. Dabei vergisst man aber schnell, dass auch all die Anderen Höhen und Tiefen in ihrem Leben durchlaufen.

 

FOGO – was ist denn das?

FOGO ist die Abkürzung für fear of going out. Also die Angst raus zu gehen, sich unter Leute zu begeben. Im geschützten Raum zu Hause fühlt man sich sicher und wohl. Draußen ist es zu trubelig. Diese unzähligen Möglichkeiten die auf einen warten, erfordern viele Entscheidungen. Was ist nun richtig, was falsch? Soll ich dies oder das tun? Lieber Griechenland, Mallorca oder Balkonien? Fragen über Fragen, die herausfordern, überfordern und lähmen können. Das erzeugt Stress, dem man leicht entgehen kann, wenn man noch im Rückzug bleibt.

 

Pandemiezeit = Zeit von Veränderungen

Die sinkenden Inzidenzen erlauben eine gewisse Rückkehr zur Normalität. Eine Normalität die geprägt ist durch ein großes Angebot, sei es in der Freizeitbranche, im Einzelhandel oder auch im Bereich der Reisemöglichkeiten.

Diese Rückkehr ist im fachlichen Sinne eine Veränderung. Ein mittlerweile gewohnter Zustand mit Entbehrungen verändert sich hin zu einem Zustand der Fülle.

Jede Veränderung ist durch sieben Phasen (1. Schock, 2. Verneinung, 3. Wut/Trauer, 4. Resignation/Depression, 5. Akzeptanz, 6. Annahme, ausprobieren, 7. Integration) gekennzeichnet, welche aufeinander folgen. Dabei ist es ganz individuell wie lange eine Phase und damit der Gesamtprozess dauert. Eine Veränderung kann innerhalb von Sekunden geschehen, manch andere Veränderung braucht Jahre.

Veränderungskurve

So unterschiedlich wie wir Menschen sind so individuell gehen wir mit Veränderungen um. Manch einer bleibt länger in der Verneinung, und Andere wiederum durchlaufen alles blitz schnell und befinden sich innerhalb kurzer Zeit in der Phase des Ausprobierens.

Unser Umgang mit diesen derzeitigen Veränderungen wirkt wiederum auf unsere Mitmenschen. Gehören wir zu dem Teil, der nun wieder raus geht und jede Möglichkeit nutzt um vieles nachzuholen und posten wir unsere Unternehmungen fröhlich auf allen Plattformen, so löst das möglicherweise bei anderen das FOMO-Gefühl aus. Oder aber sind wir diejenigen die doch lieber noch zu Hause blieben wollen und wiederum zu sehen bekommen, dass scheinbar das ganze Umfeld munter jede Gelegenheit mitnimmt. Dann macht sich vielleicht der Gedanke breit, dass etwas nicht richtig sei mit dem eigenen Bedürfnis.

Grundsätzlich halt ich nichts davon, sich gleich ein Diagnose überzustülpen. Nur weil unser Bedürfnis sich von dem der anderen unterscheidet, heißt das nicht, dass mit uns etwas nicht stimmt. Bedürfnisse sind nun mal verschieden.

 

Was hilft bei dem FOMO / FOGO Gefühl?

Hier ein paar Tipps, die im Umgang mit FOMO und FOGO helfen können:

 

I. Bedürfnis-Bewusstsein:

In dem Du Dir ein paar Fragen stellst, wirst Du Dir über Deine Bedürfnisse bewusst: Frage Dich:

  • Was ist MIR wirklich wichtig?
  • Was will ICH?
  • Was tut MIR gut?

 

II. Erkenne:

Zu erkennen, dass es nicht schlimm ist etwas zu verpassen, kann sehr hilfreich sein und Entspannung bringen. Das Leben ist auch so interessant.

Da wir uns in einer Welt der Abkürzungen befinden, möchte ich den Begriff für dieses Erkennen nicht vorenthalten: nämlich JOMO – joy of missing out – die Freude daran etwas zu verpassen.

 

III. Triff Entscheidungen:

Wenn du ganz klare Entscheidungen triffst, hörst Du auf mit Dir selbst unbewusst weiter zu verhandeln,

Und das kann helfen Entscheidungen zu treffen:

  • Male Dir das worst-case Szenario aus: Fragen Dich dabei, was ist das allerschlimmste was passieren kann. Z.B. wenn Du a) nicht auf die Veranstaltung gehst b) einfach zu Hause bleibst.
  • Frag Dein 80-jähriges-Ich was es Dir raten würde. Versetze Dich dazu innerlich an Deinen 80.sten Geburtstag. Schaue von dort aus zurück auf die Situation in welcher du gerade steckst und frage was würdest du mir raten, liebes 80-jähriges Ich?
  • Oder stelle Dir die Frage: Ist es wirklich und zu 100% wahr, dass ….. und dann setze Deine Situation ein. Z.B. ist es wirklich und zu 100% wahr, dass ich meinen Seelenpartner verpasse, wenn ich heute zu Haue bleibe?

 

IV. Digital Detox

Lege ab und an mal das Handy beiseite. Oder lege gar einen Detox-Tag/Woche ein. Das hilft schon um die (An)Reiz-Quellen zur reduzieren.

Schalte die Push-Nachrichten der sozialen Medion aus. Damit bringst Du Dich nicht selber ständig in Verlockung, Dich mit allen anderen zu vergleichen.

 

Und zum Schluss noch ein Gedanke:

Das Problem an FOMO und FOGO ist möglicherweise nicht das MO – missing out oder GO – going out, sondern viel eher das FO – die Angst davor, dass es schlimm sei.

 

Ich danke R.SH Radio Schleswig-Holstein nochmals herzlich für die Einladung zum Interview und dafür, dass mir die Mitschnitte der Sendung zur Verfügung gestellt wurden und diese auf www.ellenholling.de veröffentlicht werden dürfen. Ich verweise darauf, dass R.SH der Urheber der Tonaufnahmen ist.